Ein Nachruf: Christian Keck, „Blood & Honour“ und die Nürnberger Nordkurve

Am 12. September 2020 starb der Neonazi Christian Keck an einem Herzinfarkt im Kreise seiner Kameraden. Zu seiner Aufbahrung am 16. September 2020 in Erlangen reisten prominente Nazikader aus dem gesamten Bundesgebiet an. Einen Tag später beteiligten sich ebenfalls Fans des 1. FC Nürnberg u.a. der Gruppen „Ultras Nürnberg 1994“ und der „Red Devils“ an seinem Gedenken.

Christian Keck mit “Böse Buben Club” T-Shirt (Kleidungsmarke aus der Fanszene des 1. FCN)

In den vergangenen Jahren wuchs das Interesse an Christian Kecks politischem Wirken und es wurden Informationen mit dem Ziel zusammengetragen, ihn im Rahmen des vierten NSU-Tribunals einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Dies soll nun, nach seinem Tod, vorgezogen werden. Hierbei geht es nicht darum den Tod eines Menschen zu bejubeln, sondern aufzudecken, für welche menschenfeindlichen Ideen und Taten Christian Keck verantwortlich gemacht werden muss.

Wer war Christian Keck?

Christian „Kecki“ Keck (geboren am 13.03.1978) war seit mindestens Mitte der Neunzigerjahre in der Neonaziszene aktiv. Er trat vor allem in Zusammenhang mit „Blood & Honour“- Strukturen in Erscheinung. Seit den Nullerjahren war er Sektionschef von „Blood & Honour“ in Franken1. In dieser Funktion organisierte er rechte Konzerte und Veranstaltungen, auf welchen sich die deutsche und europäische Neonazi-Szene vernetzte und auch Geld für ihre abgetauchten Kamerad*innen im Untergrund gesammelt wurde.

Er war ebenfalls Teil von „Combat 18“ („Kampfgruppe Adolf Hitler“), dem bewaffneten, terroristischen Arm von „Blood & Honour“. Bereits sein Vorgänger an der Spitze der fränkischen „Blood & Honour“ Sektion Bernd P., Spitzname „Pernod“, galt mit seiner Band „Hate Society“ als Schlüsselfigur von „Combat 18“ in Deutschland2. „Combat 18“ finanziert sich vorwiegend aus dem rechtsextremen Musikgeschäft und gilt als Nutznießer zahlreicher Neonazi-Konzerte aus dem Netzwerk von „Blood & Honour“. Dieser exponierten Position von „Combat18“-Strukturen über „Blood & Honour“, ging ein Grabenkampf zwischen eher an Musik und Business orientierten Neonazis und militanten, terroristischen „Combat 18“ Mitgliedern voraus3. Seit dem Verbot von „Blood & Honour“ im Jahr 2000 war Christian Keck in der Nachfolgestruktur „Division 28“ aktiv. Ab 2003 begannen sich Neonazis aus dem „Blood & Honour“-Nachfolge-Label „Division 28“ an dem alten Konflikt „Geschäfte oder Untergrund?“ zu zerstreiten. Es entstanden zwei entsprechende Flügel anhand der Trennungslinie „Real-B&H“ oder „Combat 18“. Die Vertreter des „Combat 18“-Flügels waren Mitglieder aus Nürnberg und Thüringen.

Christian Keck im “Blood & Honour” T-Shirt mit britischen Kameraden

In seiner fränkischen Heimat war Christian Keck ebenfalls bestens mit Neonazis der „Hammerskins“ , des „Freien Netz Süd“ bzw. deren Nachfolgeorganisation „der III.Weg“ sowie Neonazis aus dem Raum Schwabach (ehemaliger Nazitreffpunkt „Club Nr. 18“) vernetzt. Nachdem er im Februar 2013 seine Aktivitäten reduzierte, weil er beinahe durch eine geplatzte Halsschlagader zu Tode gekommen war, organisierte Christian Keck in den letzten Jahren vor seinem Tod wieder Neonaziveranstaltungen in Bayern und Thüringen.

Des Weiteren taucht Christian Keck in Akten des NSU-Untersuchungsausschusses und in den Vernehmungsprotokollen des NSU-Prozesses auf. Die Recherchen haben ergeben, dass Christian Keck zumindest Uwe Mundlos persönlich gekannt hat. Es gilt als wahrscheinlich, dass Christian Keck die Aktivitäten des NSU in Nürnberg (drei Morde und ein Sprengstoffanschlag) unterstützt hat. Es gibt Hinweise, dass das NSU-Trio Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos an seinem Wohnort übernachtet und dass Christian Keck nach deren Selbstenttarnung Beweise vernichtet und seine Aktivitäten vorübergehend zurückgefahren hatte.

Die Chemnitzerin Mandy Struck, die das NSU-Trio mit Papieren und Wohnungen versorgt hatte, lebte ab 2001 mit ihrem Partner Christian W. für mehrere Jahre in Nürnberg. Christian W. war ebenso wie Christian Keck Mitglied von „Combat 18“4.

Ein weiterer enger Vertrauter Kecks war Ronny Linke aus Weimar. Er gehörte zum terroristischen „Combat 18“ Flügel der „Division 28“-Struktur in Thüringen und war ein früherer Bekannter des NSU-Trios Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos. Mit ihnen und dem ebenfalls im NSU-Prozess verurteilten Ralf Wohlleben, nahm Ronny Linke Anfang der Neunzigerjahre an einer Kreuzverbrennung im Stile des Ku-Klux-Klans in der Nähe von Jena teil5.

National und international war Christian Keck bestens vernetzt. Prominente „Blood & Honour“ Aktivist*innen aus Deutschland, Großbritannien und Skandinavien zählten ebenso zu seinen Vertrauten, wie die Nazikader von der Partei „der III. Weg“.

Christian Keck auf einem internationalen “Blood & Honour”-Treffen

Mit Marko Gottschalk, dem Sänger der Neonazi-Band „Oidoxie“ und Führungsfigur von „Combat 18“ in Deutschland, hat Christian Keck bereits an Wehrsportübungen in den USA teilgenommen.

Christian Kecks ehemaliger Nachbar und Kamerad war der Sänger der Neonaziband „Radikahl“, Manfred Wiemer, Spitzname „Mandi“.

Zuletzt spielte Keck bei der Organisation von Nazi-Konzerten in Deutschland und im europäischen Ausland eine größere Rolle und war immer wieder mit der „Blood & Honour“-Band „Sleipnir“ unterwegs, wie zum Beispiel 2017 in Themar beim „Rock gegen Überfremdung“-Festival oder beim Geburtstagskonzert für Adolf Hitler 2019 in Norditalien. Christian Keck war ebenfalls der Trauzeuge vom „Sleipnir“-Frontmann Marco Bartsch und seiner Frau Isabell und stand beiden persönlich sehr nahe.

Christian Keck beim “Defend Europe” Konzert zu Ehren Adolf Hitlers in Norditalien 2019
Christian Keck mit seiner Lieblingsband “Sleipnir”

Auch mit der Band „Stöhrkraft“ ist Keck persönlich verbunden. Die Mutter seines Kleinkindes war bereits mit einem Mitglied der Band liiert.

Rechtsextreme Musik ist jedoch nicht das einzige Interesse von Christian Keck. Er hegte ebenfalls eine Faszination für Waffen. Nach seiner Zeit bei der Bundeswehr in den Neunzigerjahren, hat er mindestens ein Mal an Schießübungen mit militanten Neonazis teilgenommen. Das Schießen hat lange Tradition in seiner Familie. Viele von ihnen gehen zur Jagd und so war ihm der Umgang mit Waffen schon lange vertraut. Auch den Sicherheitsbehörden war bekannt, dass Christian Keck den Umgang mit Waffen pflegte. Er wurde im Zuge eines Mordprozesses nach der Herkunft der Tatwaffe befragt. Auch nach der Messerattacke auf den Polizisten Alois Mannichl im Jahr 2008 in Passau durch einen bis heute unbekannten rechtsextremen Täter, wurde Christian Keck durch den Staatsschutz vernommen.

Der Abschied von Christian Keck

Vier Tage nach seinem plötzlichen Tod wurde Christian Keck im Bestattungshaus Baumüller in Erlangen aufgebahrt. Zahlreiche bekannte Neonazis machten sich nach Franken auf, unter anderem der bereits vorgestellte Ronny Linke aus Weimar, Sebastian Dahl und Thomas Hempel.

Sebastian Dahl gehörte zu einer Gruppe Berliner Neonazis, die nach Einschätzung des LKAs Berlin Sprengstoffanschläge auf türkische und jüdische Einrichtungen geplant hatte. Dahl wurde 2001 wegen versuchten Mordes an Antifaschist_innen verurteilt6. Thomas Hempel war seit 2006 Sektionsleiter von der „Blood & Honour“ Sektion Südhessen7.

Die militante Bruderschaft „Turonen Garde 20“, die „Hammerskins Franken“ und „Blood & Honour“ kondolierten mit Kränzen. Der Neonazi und Kampfsportler David Hasenkrug8 sendete Grüße auf Instagram.

Kränze auf dem Grab von Christian Keck von “Nordkurve Nürnberg”, “Turonen Garde 20”, “Hammerskins Franken”, “Blood & Honour” (“28”)

Im November 2020 soll Keck zu Ehren eine „Blood & Honour“-Gedenkveranstaltung in Deutschland stattfinden.

Einen Tag nach den angereisten Neonazis trauerte auch eine große Gruppe von organisierten Fußballfans um Christian Keck: Die Fangruppe „Ultras Nürnberg 1994“ erschien mit einer offiziellen Abordnung in einheitlicher Kleidung, ebenso die rechte Hooligangruppe „Red Devils“ und das „Commando Noris“. Beerdigt wurde Keck auf dem Friedhof in Weisendorf bei Erlangen, wo er lebte.

Christian Keck und die Nordkurve Nürnberg

Christian „Kecki“ Keck war ein bekanntes Gesicht der aktiven Nürnberger Fanszene. Organisiert war er im Fanclub „Commando Noris“, der bis zu seiner Auflösung den Nürnberger Ultras sehr nahe stand.

Christian Keck mit seinem Fanclub “Commando Noris” auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände

Trotz seiner bekannten neonazistischen Aktivitäten war er ein gern gesehener Gast im Clubhaus „Lokal“ im Nürnberger Stadtteil Laufamholz sowie in den Bussen von „Ultras Nürnberg 1994“ bei Auswärtsspielen des 1. FC Nürnberg.

Christian Keck auf einer privaten Feier im Clubhaus “Lokal” der “Ultras Nürnberg 1994”

Zuletzt besuchte Christian Keck die Spiele des 1. FC Nürnbergs im Beisein ehemaliger Mitglieder von „Ultras Nürnberg 1994“, u.a. eines ehemaligen Anführers der Fangruppe. In einem älteren Fotobuch von “Ultras Nürnberg 1994” wurde Christian Keck sogar eine Doppelseite mit Porträtfoto gewidmet. Da verwundert es wenig, dass „UN94“ im Namen der ganzen Nordkurve Nürnberg wenige Tage nach seinem Tod ein Banner mit der Aufschrift „RUHE IN FRIEDEN KECKI!“ am Stadion anbrachte

Spruchband der “Ultras Nürnberg 1994” für Christian Keck (unterzeichnet mit “Nordkurve Nürnberg”)

„Ultras Nürnberg 1994“ hatte noch 2013 den 2. Platz des Julius-Hirsch-Preises für ihre Gedenkchoreografie des während der NS-Zeit ausgeschlossenen jüdischen FCN-Trainers Jenö Konrad erhalten. Entgegengenommen wurde der Preis von Romeo Coric, einem hochrangigen Mitglied der „Ultras Nürnberg 1994“ sowie der rechtsextremen Fangruppierung „White Boys“ des kroatischen Fußballclubs HNK Hajduk Split. Bei der Preisverleihung sprach sich Romeo Coric im Namen der “Ultras Nürnberg 1994” für eine weiter Aufarbeitung aus. Versteckt wird dieses schizophrene politische Verständnis unter dem Deckmantel einer “unpolitischen Fankurve”.

Bekannt war Christian Keck auch mit Stefan „Waldi“ Wagner, der Ton angebenden Person hinter der Nürnberger Fanhilfe „Rot-Schwarze-Hilfe“ (RSH). Stefan Wagner ist ein rechtsextremer Fußballfan und Mitglied bei der Hooligangruppierung „Red Devils“, denen die Band bereits vorgestellte Band „Radikahl“ ein Lied gewidmet hat.

Folgerichtig veröffentlichte Wagner einen Nachruf auf das RSH-Mitglied Christian Keck auf der Homepage der „Rot-Schwarzen-Hilfe“. In einem virtuellen Kondolenzbuch nahmen Neonazis und Clubfans gemeinsam Abschied (der Nachruf und das Kondolenzbuch wurden einen Tag später zugunsten einer Stellungnahme von der Seite genommen).

Christian „Kecki“ Keck war militanter Neonazi und NSU-Unterstützer. Einer von zahlreichen Neonazis, die Teil der aktiven Fanszene des 1. FC Nürnberg sind. Um seine rechtsextreme Gesinnung haben alle gewusst – von den Ultras über die restliche aktive Fanszene des 1. FC Nürnberg bis hin zur offiziellen Fanbetreuung des Vereins. Offensichtlich sieht ein Teil des 1. FC Nürnbergs und seiner Anhänger*innen kein Problem darin, Neonazis wie Christian Keck in ihren Reihen zu haben. Ein Verein und eine Fanszene, welche sich mit ihrem Engagement gegen Rechtsextremismus und Rassismus schmücken (Mitgliedschaft des Vereins bei der Allianz gegen Rechtsextremismus, Julius-Hirsch-Preis für Aufarbeitung des Antisemitismus und der NS-Vergangenheit), dürfen sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht entziehen und müssen auch in ihren eigenen Reihen dafür Sorge tragen, das Neonazis wie Christian Keck im Stadion keinen Platz finden.

NSU-KOMPLEX AUFDECKEN – KEIN FUSSBALL DEN FASCHIST*INNEN

1NSU Watch (11.03.2015): Protokoll zum 191. Verhandlungstag – 11. März 2015. https://www.nsu-watch.info/2015/03/protokoll-zum-191-verhandlungstag-11-maerz-2015/

2NSU Watch NRW (2015): Das Label Combat 18. https://nrw.nsu-watch.info/das-label-combat-18/

3Antifainfoblatt (08.09.2015): Das Label „Combat 18“. https://www.antifainfoblatt.de/artikel/das-label-%E2%80%9Ecombat-18%E2%80%9C

4ebd.

5ebd.

6Antifainfoblatt (09.12.2005): Unter den Augen der Polizei. https://www.antifainfoblatt.de/artikel/unter-den-augen-der-polizei

7Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e.V. (2010): Die Macht des Mythos. https://www.apabiz.de/wp-content/uploads/Monitor_Nr44.pdf

8Runter von der Matte (04.05.2019): Aktivitäten der extrem rechten Kampfsportszene in Deutschland – Rückblick & Ausblick. https://runtervondermatte.noblogs.org/aktivitaeten-der-extrem-rechten-kampfsportszene-in-deutschland-rueckblick-ausblick/